Do., 9. Mai 2013

Christoph Meier

Freie Sammlung Wien #7

    #7a: ,ohne Titel (Bühne)‘, 2010 – Hohlboden, Stahl, Lack, 545 x 245 x 15 cm
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    #7b: ,ohne Titel (Filmsetperformancebühnefilm)‘, 2009 – Stahl, 35mm-Film (Farbe, Lichtton, Format 1:1,85, 4:20min)
    Edition 1/3 + 1 EA
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    Christoph Meier
    «http://www.christophmeier.net
    born 1980, lives and works in Vienna / AT
    2003 – 2009 Academy of Fine Arts Vienna (Diploma in Fine Arts)
    2008 Glasgow School of Art
    1999 – 2005 Technical University Vienna (Diploma in Architecture)
    solo exhibitions:
    2013 Galerie Kamm, Berlin / DE 2012
    Office, Nosbaum & Reding Art Contemporain, Luxembourg / LU
    greenpisellivideosculpture, Galleria Collicaligreggi, Catania / IT
    2011 about painting, abc (represented by Nosbaum & Reding Art Contemporain, Luxembourg), Berlin / DE
    Tripode – Galerie de l‘espace Diderot, Rezé – Nantes / FR
    Secession, Vienna / AT (cat.)
    2010 La part des choses #2 / Christoph Meier, In Extenso, Clermont-Ferrand / FR (cat.)
    Bananaspilt (with Søren Engsted), Kunsthaus Graz / AT
    Christoph Meier – The Painting Room, Startgalerie – MUSA Museum auf Abruf, Vienna / AT
    2009 Proposal for a Discotheque, Kiosk – Royal Academy of Fine Arts, Ghent / BE
    2008 Art Forum Berlin 2008 – Freestyle (represented by Nosbaum & Reding Art Contemporain, Luxembourg), Berlin / DE
    Before the facts #1, Galerie Amer Abbas, Vienna / AT mittwochsbar (hosted by bell street project space), Vienna / AT
    Demoraum, Academy of Fine Arts Vienna / AT (cat.)
    Nosbaum & Reding Art Contemporain, Luxembourg / LU



    #7c: ,ohne Titel (Christoph)‘ – Spiegel, fünfteilig, 605 x 282 cm
    (enlarge: click image)




    #7d: ,o.T.‘, 2011 – Stahl, Kunststoff, MDF, Elektrik, Lack, Beton,55 x 45 x 97 cm








    Christoph Meier fügt für seinen Beitrag zur Freien Sammlung
    Wien vier bestehende Arbeiten zu einer neuen Gesamtheit,
    welche die Bedingungen des Ausstellens und eigentlich des
    Aufführens von Kunst untersucht. Jede der vier Arbeiten steht
    in Bezug zum Kunstraum Ve.Sch, der die geistige und räumliche
    Basis der Sammlung bildet. Die aus sechsunddreißig Modulen
    bestehende Metallbühne steht im Sommer 2010 auf der Straße
    vor dem Eingang des Ve.Sch, und ist für ein Fest an drei Tagen
    das Spielfeld für künstlerische Aktion.
    Die großformatigen Spiegel, im Frühjahr 2011 Teil der Ausstellung
    von Christoph Meier in der Secession in Wien, sind seit
    Sommer 2012 hinter der Bar des Ve.Sch montiert.
    Das fahrbar gelagerte Straßenlicht ist im März 2011 Christoph
    Meiers Beitrag zu einer von Ve.Sch-Betreiber Martin Vesely
    kuratierten Gruppenausstellung im Fotohof Salzburg.
    Die 35mm Filmrolle in einer Filmdose ist Meiers Diplomarbeit
    „Ohne Titel (Filmsetperformancebühnenfilm)“ von 2009: Diese
    Arbeit ist 2011 zusammen mit Videoarbeiten anderer Künstler-
    Innen für einen von Ludwig Kittinger und Fernando Mesquita
    kuratierten Dienstag Abend im Ve.Sch zu sehen, für diesen
    Anlass auf DVD transferiert und auf einem Monitor gezeigt.
    Ein in dieser Ausstellung entstandener Screenshot von Meiers
    Arbeit ist das Cover des Ve.Schhefts Nr. 12 von Jänner 2013.
    Es ist also möglich, den Beitrag Christoph Meiers für die Freie
    Sammlung Wien auch als biographische Verbindung Meiers
    mit dem Kunstraum Ve.Sch und damit der Sammlung selbst zu
    lesen. Die in Meiers Arbeit entwickelte Thematik der physischen
    Infrastruktur von Handlungen, wird immer auch begleitet
    von der ästhetischen Nutzbarmachung der Spuren eben dieser
    Handlungen.Allen funktionalen Objekten ist ihr Gebrauchswert
    durch Gestaltung, Material und Form eingeschrieben. Die
    tatsächliche Benutzung der Dinge läuft bei den Arbeiten Christoph
    Meiers aber nicht bloß als Film im Kopf des Betrachters,
    sondern ist durch Abnützung und Beschädigungen an den
    Materialoberflächen ablesbar, und wird in Form von Patina auch
    zum wesentlichen Gestaltungsmittel, vielleicht zum wichtigsten.
    In den Arbeiten für die Freie Sammlung Wien ist die Patina der
    Arbeiten aber nicht nur Anlass, um sich deren Funktionalität
    vorzustellen, und sie an den Materialoberflächen abzulesen:
    Der Gebrauch und die den Dingen eingeschriebene Geschichte
    werden zur Erzählung, in der Zeit und Ort auch konkret
    benennbar werden. Die gesamte Transformationssequenz aus
    Benutzen, Auswählen, Bearbeiten und Ausstellen, die sich in
    der Kunstproduktion von Christoph Meier vollzieht, wird
    entlang ihrer mit dem Ve.Sch verbundenen Nutzungsgeschichte
    nachvollziehbar. Die Bühne trägt nicht bloß das Potenzial ihres
    Gebrauchs in sich und die materiellen Spuren ihres Gebrauchs
    auf ihr, sondern ihre Benutzung, ihre Aufführung, gleich ob einmalig
    oder mehrmals, wird durch Dokumentationsmedien wie
    Bild und Schrift konkret erfahrbar. Dieselbe Bühne tritt zudem
    auf Katalogabbildungen zu Meiers Ausstellung in der Secession
    2011 in Erscheinung: Meier nutzt sie zusammen mit anderen
    Arbeiten, um vor der offiziellen Ausstellungseröffnung verschiedene
    Installationsvarianten vor Ort durchzuspielen. Diese
    Prototypen der endgültigen Ausstellung sind bei der Eröffnung
    zwar nicht mehr im Raum anwesend, bleiben aber als im
    Katalog abgedruckte Installationsansichten präsent. Sie eröffnen
    so medial transformiert eine weitere Option, das Ausstellen als
    Handlung zu begreifen, und deren Ergebnisse als bloß eine von
    mehreren Möglichkeiten zu relativieren und zu überprüfen.
    In eben jener Ausstellung installiert Meier auch eine
    Spiegelwand aus fünf Elementen, von denen sich nun zwei im
    Ve.Sch hinter der Bar befinden (der Beitrag für die Sammlung
    umfasst alle fünf Elemente). Ursprünglich im Februar 2010
    von der Secession für die Ausstellung von Christoph Büchel
    produziert, konnten die Spiegel nicht mehr rechtzeitig an ihrem
    vorgesehenen Ort unter dem Beethoven-Fries installiert werden.
    Meier entdeckt die nun noch unbenutzten Spiegel im Lager der
    Secession, und integriert sie in seine Ausstellung. So überlagern
    sich auch in dieser Arbeit das Handlungspotenzial der unterschiedlich
    positionierbaren Spiegelelemente und die konkret
    benennbare Geschichte ihres bisherigen Gebrauchs. Zum Zeitpunkt
    ihres Eingangs in die Sammlung existieren zudem auch
    nur noch die zwei im Ve.Sch installierten Elemente
    (von denen zudem eines beschnitten ist), während die drei
    übrigen durch Transportschäden zerstört sind, und als vorläufig
    abstraktes Potenzial Eingang in die Sammlung finden.
    Während also die zwei in Gebrauch befindlichen Spiegelmodule
    unweigerlich Patina ansetzen werden, sind die übrigen
    Teile bei einer möglichen zukünftigen Präsentation neu und
    unverbraucht, lediglich ihre Anzahl und ihr Format wird sich
    aus ihrer Geschichte ergeben haben. Als Martin Vesely im
    März 2011 eine Arbeit von Christoph Meier für die Gruppenausstellung
    „Die Fotografie in Referenz“ im Fotohof Salzburg
    auswählt, geschieht dies unter der Auflage, die Arbeit mit dem
    Personenzug von Wien nach Salzburg transportieren zu können.
    Dafür eignet sich eine unbetitelte Arbeit von 2011, eine
    auf einem Trolley montierte Straßenlampe. Im Zusammenhang
    der Ausstellung im Fotohof wird die Arbeit so gesetzt, dass sie
    durch die vordere Schaufensterfront des Ausstellungsraums
    den davor befindlichen Stadtraum beleuchtet: so wird die
    ursprüngliche Funktion der Lampe in transformierter Form
    wieder aktualisiert. Diese Maßnahme des nach außen Drehens
    folgt nicht nur kompositorischen Überlegungen während der
    Installation der Ausstellung, sondern wird schlicht notwendig,
    um das für einen herkömmlichen Innenraum viel zu helle Licht
    überhaupt aufstellen zu können. Die dieser Arbeit innewohnende
    Verschränkung von Funktionalität und Dysfunktionalität,
    einerseits durch die kompakte, transportable Fassung eines
    Gebrauchsobjekts, andererseits durch die seltsame Ausweglosigkeit,
    die sich einstellt, will man den Konventionen des White
    Cube entsprechend, ein Objekt aus der Nähe betrachten, das
    gerade dafür gemacht ist, aus der Ferne sichtbar zu sein, um
    sich eben nicht in den Weg zu stellen, fügt den zuvor an den
    Arbeiten von Christoph Meier gemachten Beobachtungen eine
    neue Variante hinzu. Die Diplomarbeit Christoph Meiers von
    2009 ist ein knapp viereinhalb Minuten langer 35mm Film,
    der die Inszenierung seiner eigenen Diplomprüfung als Szene
    auf einem Filmset zeigt. Auch hier bedient sich Meier einer
    Spiegelwand, um die Bedingungen des Zeigens und Betrachtens
    freizulegen. Eine auf Schienen gelagerte Filmkamera fährt die
    gegenüberliegende Spiegelwand entlang, vor der die Mitglieder
    der Prüfungskommission der Akademie der bildenden Künste
    Wien unentschlossen um sich schauend, zu Darstellern und
    Betrachtern gleichzeitig gemacht, in Meiers mit Ausstattungsdetails
    professioneller Filmsets versehener Bühnenfalle ausgestellt
    werden. Die Filmrolle selbst, so wie sie in die Sammlung aufgenommen
    wird, ist für sich genommen nur das Potenzial ihrer
    eigenen Aufführung. Sie benötigt eine große, aufwendige und
    mittlerweile auch nicht mehr so einfach zur Verfügung stehende
    Apparatur, einen 35mm Filmprojektor:
    Das ist durchaus eine in beeindruckender Weise sich selbst
    darstellende Maschine, die geräuschvoll und mit allerlei
    faszinierend anzusehenden Dreh- und Rollbewegungen die
    Filmrolle abspult, durchleuchtet und dabei aber wiederum auf
    eine geeignete Fläche in richtiger Entfernung angewiesen ist,
    um den Film sichtbar zu machen. Für die Ausstellung im Ve.Sch
    wird nur die Filmdose mit der darin befindlichen Filmrolle zu
    sehen sein, der Film selbst also nicht vorgeführt werden. Nun
    ist das Ve.Sch selbst ja mitunter mehr Aufführungs- als Ausstellungsort:
    viele der darin stattfindenden Ausstellungen sind
    nur für einen Abend zu sehen, und die Bar bietet den Selbstdarstellungswilligen
    die ersehnte Bühne. Auch die Präsentation
    der Arbeiten von Christoph Meier für die Freie Sammlung
    Wien dauert nur einen Abend, und dieser wird dabei wieder
    Bestandteil der den Arbeiten innewohnenden Aufführungsgeschichte.
    Vielleicht ist die konsequenteste Fortschreibung und
    Verwirklichung der Arbeiten an diesem Abend im Ve.Sch ja eine
    kleine Abnützungsspur, die ihnen entweder durch Transport
    und Installation oder durch wahlweise unvorsichtige oder übermotivierte
    Betrachtende zugefügt wird.

Text: Franz Zar